Teheran/IR - Grenze von Turmenistan/TM

vom 2. - 15. Mai 2004

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Am Sonntag, 2.5., versuchen wir hier in Teheran Unterlagen ueber Stadt und Land zu organisieren - kein einfaches Unternehmen mit rudimentaerem Stadtplan. Alles unterliegt hier einem steten Wandel. Seit der Revolution wurden die Strassen mehrmals umbenannt. Die Strassenschilder werden zudem in Farsi oder in verschiedenster Interpretation in unserer Schriftart bezeichnet. Die Telefonnummern haben 2001 und 2003 erneut geaendert, Verzeichnisse haben wir keine gefunden.

Natuerlich ist auch die gesuchte Tourist Information seit Veroeffentlichung der Adresse x-mal umgezogen. So landen wir denn im ersten Anlauf bei einem Cultural Center, wo man sich ueber die Abwechslung freut. Es findet sich eine englisch sprechende junge Lady und Tee wird serviert. Wir haben nach unzaehligen freundlichen Einladungen gelernt, wie man hier den Tee trinkt. Nicht unueberlegt den Wuerfelzucker wie bei uns ins Glas geben, um dann verlegen festzustellen, dass kein Loeffel zum Umruehren vorhanden ist. Hier legt man das Zuckerstueck ("Wuerfel"zucker wird zum Teil von Hand im Basar ab einem grossen Block geschlagen und zerkleinert) auf die Zunge und laesst es beim Teetrinken im Mund zergehen. Waehrend wir Konversation machen, wird ein Angestellter losgeschickt und uns dann drei verschiedene Versionen Stadtplaene kostenlos als Willkommen in Teheran ueberreicht.
Die Auskunft am Internationalen. Flughafen weiss nicht, dass sie auch Touristen beraten sollte. Aber dank Fredy's Charme tauen die beiden schwarz gewandeten Damen auf, telefonnieren sich die Finger wund und praesentieren schliesslich feierlich die zustaendige Adresse. Dieses Buero entpuppt sich dann als die uebergeordnete Koordinationsstelle der gesamten Public Relation des Irans. Doch wir werden trotzdem mit Broschueren und diversen CDs ausgestattet.

Zu Fuss und im Auto schnuppern wir mehr Gross-Stadtluft sprich Abgase als uns lieb ist. Dass die Hautpstadt Teheran gut 10 Mio. Einwohner und dazu etwa 3 Mio. Pendler hat, merken wir am Abend. Ein Grossteil von ihnen scheint sich aus der Stadt zu waelzen, als wir den von Andrea und Vroni, zwei Oesterreicherinnen im Land Rover unterwegs nach Indien, angegebenen Uebernachtungsplatz im noerdlichen Stadtteil anpeilen. So ein Verkehrs-Chaos laesst sich gar nicht schildern, man muss es erlebt haben. Eine durch die ganze Stadt fuehrende Strasse kann unzaehlige Male von Gegenverkehr zu Einbahn in der und wieder nach ein paar Blocks in die andere Richtung wechseln. Abgebogen wird auch von der entgegengesetzten aeusseren Spur aus. Man hupt und schiebt sich einfach quer über alle drei Spuren, auf denen sich sowieso schon fuenf Kolonnen quetschen. Stosstange an Stosstange, Lichtsignale ungeachtet, waelzt sich die Blechlawine fast zentimeterweise durch die Strassen. Die Sammeltaxis und Busse stoppen unberechenbar, laden am Strassenrand Fahrgaeste ein oder aus ohne auch nur einmal den Blinker zu betaetigen. Mittendrin stehen machtlose Polizisten, die niemand beachtet, und von Amtes wegen ab und zu ihre Pfeifen benuetzen, meist aber mit irgend einem Fahrer plaudern. Nerven braucht man keine - man kann gar keine haben!!
Was vage Angaben betrifft, so steht die hiesige Schweizer Botschaft den Iranern in nichts nach. 3x mussten wir von unterwegs anrufen und darauf bestehen, nicht nur Orientierungspunkte wie Brufecke, viele Haeuser, Grünanlage ("sie werden's schon sehen") sondern konkrete Strassennamen zu erhalten, um die richtige Sharifi Manesh (von der es allein im Nordteil der Stadt schon zwei gibt) zu finden. Ich wagte mich in den empfohlenen Coiffeursalon, wo ich von der Chefin hoechstpersoenlich bedient wurde. Was sie nach einer kalten Haarwaesche über einem Lavabo mit ihren zweierlei klemmenden Scheren fertigbrachte, ist ganz erstaunlich. Botschafts-Angestellte muessen aber noch andere Bezugsquellen haben, denn ich kann kaum glauben, dass der uns genannte Sharwand-Supermarket am Arjentin Square wirklich das das Beste ist, was man hier findet!
Am Mittwoch sind wir mit der U-Bahn unterwegs. Von der Endstation Mir Damad koennen wir direkt für R. 650.- (Fr. -.20 ca.) mit der roten Linie 1 in das Zentrum fahren. Frauen allein unterwegs fahren prinzipiell in gesonderten Wagen in der vordern Zughaelfte (und in den Bussen im hinteren Teil). Wir besuchen den Golestân-Palast aus dem 19. Jht., der von der Pahlavi-Dynastie noch für zeremonielle Anlaesse wie die Kroenung des letzten Shâh Resas benutzt wurde. Die Bauten inmitten einer Gartenanlage mit Springbrunnen und Rosenbeeten unter hohen Baeumen wurden leider seit der Revolution vernachlaessigt und an allen Ecken und Enden wird nun renoviert. Aber die Spiegelwaende, Kachelwaende, Marmor-Reliefe, geschnitzten Holztore und pompoesen Eingaenge sind einen Besuch wert.

Gegenueber liegt der Bazar-e Bozorg, in dem man sich verirren kann. Darin sind die verschiedenen Klassen der iranischen Gesellschaft vertreten mit fast 30% Anteil an Grosshaendlern und etwa 50% Kleinhaendler und Handwerker. Den Rest bilden die vielen Strassenhaendler und die Lastentraeger, die entweder die Waren auf ihrem Buckel oder aber mit den vielen Schubkarren durch die engen Gassen befoerdern. Hier und in den vielen Geschaeften in der ganzen Stadt findet man, was immer man sucht - es ist alles nur eine Frage des Preises. Die ganze Produkte-Palette ist hier und in den vielen Geschaeften in der ganzen Stadt vertreten, wenig - wie wir festgestellt haben "made in Iran" - sondern vielmehr aus aller Herren Laender importiert.

Die Kostbarkeiten und Glas-Schaukaesten im Juwelen-Museum in der Ferdowsi St. wurden anscheinend seit der Revolution nicht mehr abgestaubt, und so praesentiert sich die ganze Ausstellung mit ihren unzaehligen defekten Spots eher stumpf und wenig beeindruckend.

Der nächtliche Regen hat die Luft gereinigt. Vorsichtshalber nehmen wir beim wechselhaften Wetter noch einen Regenschutz mit. Heute steht die Borj-e Azadi, der Turm der Freiheit, auf dem Programm. Da treffen wir eine kurdische Schulklasse, deren Lehrer uns bestuermen und schliesslich ueberzeugen, mit ihnen ueber Mittag zu picknicken. Da wir mit ihnen schon ausserhalb der Stadt landen, besichtigen wir auch gleich den danebenliegenden Zoo, was aber immer eine eher deprimierende Angelegenheit ist. Per Taxi kehren wir in die Stadt zurueck, staerken uns gepflegt im frueheren International und heutigen Lâle Hotel, bevor wir dem Teppich-Museum einen Besuch abstatten. Woll- und Seiden-Teppiche aller Provenienzen und traditioneller Muster kann man hier bestaunen. Ihre Qualitaet haengt von der Anzahl der Raj (Knoten auf ein 7,2 cm Laenge) ab.
Wir kaufen Tickets, um Teherans 3'935 m hohen Hausberg mit der Towchal Tele Cabin zu besuchen - keine gute Idee an einem Freitag, der hier unserem Sonntag entspricht. Leider sind die meisten 6-Gondeln in Revision und man operiert nur mit einigen wenigen, die eine immense Warteschlange, dies wohlvertanden in Beachtung der islamischen Regeln in Bezug auf Geschlechter-Trennung, bewaeltigen soll. Da diese Ausfluegler auch alle wieder zu Tale muessen, stoppt man die Bergfahrten einfach um 14.ooh. Wir lernen deswegen weder die fuenfte, noch die letzte und siebte Station, auf der man noch zu der Jahreszeit Skifahren kann, kennen sondern begnuegen uns von da aus mit dem Panorama ueber die City.
Wir widmen uns stattdessen dem Saad Abâd Komplex, einer riesige Gartenanlage mit 18 Gebaeäuden aus den 30iger-Jahren, in der heutzutage verschiedene Museen untergebracht sind. Uns interessiert der National Palast (Kâkh-e Muzue-ye Mellat), die Residenz des letzten Shâh Rezâ und seiner Gemahlin Farah Diba. Die klassisch moeblierten riesigen Wohnräume werden von bis zu 145 m2 grossen herrlichen Teppichen und schweren Kristall-Leuchtern dominiert. Ebenso sehenswert ist der Kâkh-e Muze-ye Sabz, der gruene Palast, in dem der erste Shâh Rezâ der Pahlavishâhs wohnte. Aussen in gruenem Marmor gehalten, sind innen die Raeume feudal ausgestattet, die meisten mit Spiegelmosaik, in denen sich die gewaltigen Luester reproduzieren.

In Europa soll ein Virus im Internet sein Unwesen treiben. Im Verbund mit den sonst schon langsamen Verbindungen konnte ich am Vortag in 6 Std. Arbeit mit Muehe und Not die zwei Reiseberichte und mit der Geschwindigkeit von ca. einer komprimierten jpg-Foto pro Minute die Aufnahmen in die Fotogalerei der Homepage aufladen, aber keine E-mails mehr beantworten. Die Internet-Station bei der PTT am internat. Flughafen hatte Ruhetag. Auch der private Anbieter in der Fedowsi/Johmhuri St. war nicht geschaeftstuechtiger. Die Geldwechsler auf der Strasse lotsten uns zu einer kleineren Station in einem verwahrlosten Block, wo im 3. Stock in einem heissen, abgedunkelten Raum die Tastaturen bearbeitet wurden. Kopftuch ablegen oder Jacke ausziehen liegt nicht drin, dafuer kriegt man zur Regulierung des Fuessigkeitshaushaltes kostenlos heissen Tee angeboten!

Heute, am 8. Mai, heisst es für uns Teheran adieu! Auf der Ausfallstrasse Richtung Qom besuchen wir noch das Mausoleum Ayatollahs Khomeini, dessen goldbronzierte Metallkuppel, die vier goldfarbenen staehlernen Minarette und die vier tuerkis belegten Kuppeln an allen vier Ecken von weither sichtbar sind. Von Nahem steht man aber vor einer riesigen Baustelle. Schuhe abziehen, Fotoapparat und Kamera abgeben, Sicherheitskontrollen inkl. Abtasten wie am Flughafen sind ein Muss, bevor uns der (getrennte) Zutritt in die 100 m lange Halle gewaehrt wird, wo der Schrein des 1989 verstorbenen Maertyrers (= wer im Kampf für die Sache Gottes stirbt) steht. Nicht willkommen sind wir als Auslaender hingegen auf dem riesigen Friedhofgelaende des Behesht (=Paradies)-e Zahrà, wo die vielen im Irak-Krieg von 1980-88 gefallenen Soldaten, ebenfalls Märtyrer, begraben sind.
Ueber Varamin führt unser Weg fuehrt am noerdlichen Rand der Salzwueste entlang. Obwohl nur gerade 40 km Luftlinie von der Hauptstadt entfernt, ist man schon in einer anderen Welt. Die laendlichen Gebaeude sind aus Lehm mit Stroh vermischt gebaut mit auffallenden Kuppeln und Runddaecher. Wir klettern durch eine zerfallene, verlassene Siedlung. Grundsaetzlich wird aber immer noch in derartigen, innen erstaunlich kuehlen Bauten, gewohnt. Wassertanks, Stromanschluss und Fernseh-Antennen beweisen uns das.
Grundwasser gibt es hier genuegend. Zwar sind die Kanaele und Pumpstationen in schlechtem Zustand, aber sie befoerdern gegnuegend Wasser um in der Naehe von Ortschaften die Felder kuenstlich zu bewaessern. Zu dieser Jahreszeit sind sattgruen mit Getreide, die Erde aber mit einer weissen Kruste vom verdunsteten stark salzhaltigen Wasser ueberzogen.

Die Landschaft um Eyvanakey und Garmsar Richtung Semnan ist im warmen Abendlicht eine Augenweide. Die kahlen Haenge des Alborz-Gebirges zur noerdlichen Seite sind vielfarbig und von Erosion durch Wind und Regen gepraegt. Rechts in Fahrtrichtung liegen weite Ebenen, kaum durch Huegelzuege und mit nur wenigen kleinen Orten mit ihren bebauten Feldern unterbrochen. Die Gegend ist reich an Rohstoffen und ueberall sieht man Abbau-Stellen und verarbeitende Industrie für Gips, Kohle, Zink und Blei.

Als wir im Laufe des naechsten Morgens in Semnan einfahren, werden wir schon von der Polizei, die im ganzen Lande neuste 230-CE-Mercedes faehrt, erwartet. Ich kann gerade noch die Kopfbedeckung überwerfen, bis ein ueberaus hoeflicher Beamter Fredy's Papiere verlangt und ihm (obwohl ich am Steuer sitze) klarmacht , dass im Iran eben auch bei dem jetzt herrschenden strahlenden Sonnenschein und gut 35o C von der Frau ein Kopftuch verlangt wird, ich aber unterwegs ohne gesichtet worden sei! Es gibt ein Palaver ueber Funk, ein Sitten-Spezialist stoesst hinzu, dem alles von Englisch auf Farsi uebersetzt werden muss. Sie diskutieren und raetseln und sind dann ganz erleichtert, dass das Wappen am Auto nur unsere Landesflagge und keine "diplomatic mission" sprich zusaetzliche Komplikationen bedeutet und sie uns nach muendlichen Ermahnungen weiterziehen lassen koennen.

Diese Provinzhauptstadt sieht vermutlich kaum Touristen. Der Basar ist klein und ganz auf die alltaegliche Versorgung ausgerichtet. Wir sehen uns das schoene Stadttor Darvâze-ye Arg aus 1885, die Masjed-e Imam Khomeini-Moschee sowie das aus dem 8. od. 9. Jht. stammende Ziegel-Minarett der Freitags-Moschee an. Unmittelbar nach dem Ort finden wir ein Riesenrohr mit sprudelndem, klaren Wasser, wo wir unsere schon wieder angesammelte Schmutzwaesche bearbeiteten koennen. Bei der geringen Luftfeuchtigkeit kann man, bis Fredy das letzte Stueck gewaschen hat, schon das erste trocken abnehmen.

Mein Vergehen nach Damagan am kommenden Tag, Ueberholen bei ausgezogener Sicherheitslinie, wie das hier jeder tut, ist nicht so schwerwiegend wie der Anlass gestern, deshalb laesst die Polizei uns rasch wieder springen! Ueber Mittag halten wir bei Mayamey im Schatten von Pappeln in der Naehe einer Pumpstation. Nach x-maligem Ueberpruefen der Umgebung, um ja kein oeffentliches Aergernis zu erregen, spritzen wir uns gegenseitig mit dem herrlich kuehlen Wasser ab. So sind wir noch voller Elan, als wir Miyandasht erreichen. Die alte Karawanserei wird originalgetreu von der ICHO (Iranian Cultural Heritage Organization) wieder aufgebaut. Wir sind herzlich willkommen, zwischen Geruesten und Bauarbeitern umherzustoebern und bis auf die Daecher und Kuppeln hinauf zu steigen. Vom Projektleiter (ein grosser Vorteil hier im Iran, jedermann hat immer alle Zeit der Welt) erhalten wir Erklaerungen und sogar eine zweisprachige Broschuere.
Bei Abbasabad machen wir einen vergeblichen Abstecher suedlich, um uns die schimmernden Salzkrusten in natura anzusehen. Aber nach einigen Kilometern - erst durch vertrockenete Bachlaeufe, dann mutig quer über die Ebene auf kiesig-sandiger Unterlage zwischen dornigen Gestrueppen - erinnern wir uns an die klassische Fata Morgana und muessen einsehen, dass die in der Hitze gleissende Fläche immer gleich weit entfernt scheint. Wenig spaeter passieren wir dann sowieso direkt auf der Hauptstrasse solch verkrustete Boeden! Einmal mehr sind wir fasziniert von der Landschaft um Mehr und Sabzevar und ihren vielen Farbnuancen. Ab der Zivilisation nach dem Godar-e Aliyak uebernachten wir in Gottes Natur. Die Bauern reiten auf ihren Eseln auf dem Heimweg von den Feldern vorbei, im Schlepptau ihre Frauen zu Fuss, und gruessen freundlich.
Eine holprige Teerstrasse fuehrt über Soltanabad nach Neyshabur. Der Verkehr nimmt langsam zu, die Besiedlungsart deutet auf die nahe Grosstadt hin. Bei gleissender Hitze von 40oC rollen wir dann am Dienstag, 11. Mai, in Mashhad ein. Der heilige Bezirk der 4 Mio. Stadt liegt kreisfoermig mitten in der Stadt. Der Verkehr wird unter ihm hindurch auf abgas-reichen Strassen gefuehrt. Erst der innere Bereich ist fertiggestellt. Rundum werden staendig neue Arkaden und Vorhoefe angebaut - Beschaeftigung genug für die kommenden Jahre bei den hiesigen Baumethoden und Arbeitstempi.

Der Schein des 8. schiitischen Imam Ali Rezâ unter der Goldkuppel in der Gowhar-Shad-Moschee ist das Kernstueck und umgeben von gleissenden Spiegelmosaik-Flaechen und riesigen Kronleuchtern. Die goldenen oder verfliesten Waende und die schweren Holzportale wurden vielfach mit Schutzglas ueberzogen, um der Abnuetzung vorzubeugen, da die Glaeubigen sie mit Haenden und Kopf beruehren oder kuessen. Um diese Sehenswuerdigkeit von innen zu sehen, hinterlege ich meinen Pass am Eingang und fasse einen Tschador. Dieser Wallfahrtsort für Moslems ist gut besucht, auch von Pilgern aus dem Irak. Die vielen Teppiche (uebrigens nicht handmade sondern Dralon-Exemplare) sind voll mit murmelnden, den Koran rezitierenden Glaeubigen. Abseits gruppieren sich Frauen, je nach Herkunft und Zweck des Besuchs leise oder mit rythmischen Bewegungen und auf die Brust klopfend betend oder laut wehklagend.

I

In Mashhad "wohnen" wir mitten im Trubel neben dem Basar hinter dem Meidan-e Beit al-Moqaddas -Kreisel. Hier treffen wir mal wieder auf andere Reisende: Claude/F auf Kurzurlaub und Jan/N für 1 1/2 Jahre mit ungefähr derselben Route wie wir, beide per Velo unterwegs. Sie haben einen lokalen Guide aufgegabelt, Vali, der uns gemeinsam in unserem Camper nach Abardeh lotst. In diesem Dorf koennen wir ungeniert fotografieren. Abschluss des Besuchs bildet ein Mittagessen im oertlichen Restaurant, an dem natuerlich wer immer anwesend Anteil nimmt. Âbgusht, ein Gericht urspruenglich aus Taebriz stammend, wird serviert. In Suppe wird alles gegart. Mit einer Art Moerser wird in einer Schale "Feisses" zerstossen, Brotfladen in Stuecke gerissen, alles mit Suppe uebergossen und ausgeloeffelt. Im zweiten Gang wird dann das Fleisch selbst und das Gemuese wie Kichererbsen, Kartoffeln zerstampft. Dieses Mus wird mit Fladenbrot-Stuecken zu Mund gefuehrt.

Nach einer kurzen offroad-Strecke, auf der den Pedalern die Luft wegbleibt, erreichen wir Kang, das schoenste Dorf, das wir im Iran gesehen haben. Die erdenen Häuser schmiegen sich eng an einen Hang. Ihre flachen Lehmdaecher bilden jeweils die Zugangsstrasse für die obere Haeuserreihe.

Heute Donnerstag sind wir in Vali's Haus zum Mittagessen eingeladen. So modern sich der Vielsprachige auch geben mag, zuhause herrschen die für Maenner bequemen, traditionellen Grundregeln. Probleme macht ihm hoechsten die 15-jaehrige Tochter. Sie wagt sich zu freizuegig gekleidet auf die Strasse, d.h. bedeckt Haaransatz und Hals nicht geziemend. Aufgetischt wird auf der Sofre (einer grossen Tischdecke) am Boden. Gereicht wird wiederum eine Suppe, dann trockener Reis, rote-Bohnen-Gemuese mit Fleisch darin, Salat und Joghurt, zum Nachtisch Wassermelone. Immerhin setzt sich seine Frau mit uns zusammen hin, traegt aber Kopftuch und Tschador zum Essen. Das Haus hat vier Raeume, alle mit Teppichen belegt, die ohne Schuhe betreten werden. Geschlafen wird in duennen Matraetzchen auf dem Boden. Die einzigen Moebel im Haus sind ein Gestell mit Fernseher im Wohnzimmer und im Zimmer von Sohn Rezâ, der naechstes Jahr 16-jaehrig, sein "Studium" beginnt, ein Pult mit einem Computer, auf den Vali sehr stolz ist, aber nicht zu bedienen weiss.

Die Daten- und Bilder-Uebermittlung ist immer noch ein ungelöstes Problem. Wir haben zwei Internet-Cafés abgeklappert, Jan bereits deren vier. So nehmen wir uns frei und tun etwa für unsern Geist. Wir besuchen eine Gemeinschaft der örtlichen Derwische (persisch für Armer, Bettler). Sie bekennen sich grundsätzlich zum Islam (sind meist Schiiten), halten sich aber nicht streng an dessen Regeln sondern versuchen, die "Reinheit des Herzens" durch Meditation, Trance oder Tanz zu erreichen. Wir werden im Gonad-e Sabz herzlich willkommen geheissen, sitzen im Schneidersitz im Empfangsraum (wobei uns fast die Beine einschlafen), erhalten Châi, währenddem die Mitglieder eintrudeln und einander mit Hände-, Stirn- und Wangen-Küssen begrüssen. Fredy und Jan werden zum Zeremoniell eingeladen. Mich trifft das Schicksal der Weiblichkeit hier: Die fast zwei Stunden, während dem die Pirs (spirituellen Führer) die Gläubigen mit Gebeten und Gesang in Trance versetzen, verbringe ich im Nebengemach unter in Tschador gehüllten Frauen und höre den Singsang nur aus dem Lautsprecher. Keine von ihnen spricht eine Fremdsprache, ich kann leider kein Farsi - schade, denn zwei der jüngeren scheinen einer Unterhaltung nicht abgeneigt zu sein. Nach Abschluss der Zeremonie wird gemeinsam gegessen, Âbgusht natürlich. Mein Verlangen danach ist inzwischen nach 3 Mal innert 24 Stunden gestillt und ich bin froh, dass wir eine eigene Verpflegungs-Möglichkeit im Camper haben. Vorsorglich haben wir hier noch eingekauft - nicht dass es in Turkmenistan, unserem nächsten Ziel, nichts zu kaufen gäbe - aber hier kennen wir inzwischen Mittel und Wege, wie man zum Gesuchten kommt.

Morgen Freitag, 14. Mai, werden hier wieder die meisten Geschaefte geschlossen bleiben. Am spaeten Nachmittag wollen wir nach Quchan fahren und dort ein letztes Mal im Iran übernachten. Die Abänderung unserer Route in Turkmenistan und die Verlaengerung unseres Aufenthaltes auf fuenf Tage hat geklappt. Wir koennen am 15. bei Bajgiran einreisen und auch die Hauptstadt Ashqabad besuchen. Mit einem obligatorischen Begleiter an Bord werden wir dann ueber Mary an die usbekische Grenze fahren.

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